Koran (Khoran, mit dem Artikel: Alkoran, die "Recitation" oder "Vorlesung" der göttlichen Offenbarung), das in arabischer Sprache verfaßte, von Mohammeds Schwiegervater und Nachfolger Abu Bekr aus mündlicher Überlieferung der Gläubigen und zufälligen Aufzeichnungen gesammelte und vom Kalifen Othman in offizieller Redaktion herausgegebene Religionsbuch der Mohammedaner, welches die Offenbarungen Mohammeds enthält.
Der K. schreibt sich selbst unmittelbaren göttlichen Ursprung zu, und die mohammedanische Tradition erzählt, daß derselbe von Urbeginn an in der Urschrift im siebenten Himmel vorhanden gewesen, von der gesegneten leilat al kadr ("Nacht des Ratschlusses") im Monat Ramasan an aber durch den Erzengel Gabriel dem Mohammed stückweise mitgeteilt worden sei.
Der K. in seiner gegenwärtigen Gestalt enthält 114 Suren oder Kapitel von sehr ungleichem Umfang und mit oft schwerverständlichen, zuweilen von einem in dem Kapitel zufällig vorkommenden Wort herrührenden Überschriften, z. B. "Das Eisen", "Die Schlachtordnung", "Der Sieg" etc.
Er enthält keine systematisch geordnete Glaubens- oder Sittenlehre; nicht einmal innerhalb der einzelnen Suren besteht ein geordneter Zusammenhang, da bei der Sammlung zufällige Äußerlichkeiten oft genug die Zusammenwerfung verschiedenartiger Bestandteile in den Rahmen einer Sure veranlaßten. Sprache und Darstellung sind mitunter Ausdruck einer glühenden und ergreifenden Begeisterung, oft aber auch ermüdend durch prosaischen Ton und endlose Wiederholungen.
Der Inhalt des Korans (das Nähere über denselben s. Auswahl Mohammedanische Religion) umfaßt übrigens nicht bloß Glaubens- und Sittenlehren, sondern auch Vorschriften des Zivil- und des Strafgesetzes, der Gesundheitspolizei und selbst der Politik - alles in oft schnell miteinander abwechselnden Formen der immer Gott in den Mund gelegten Erzählung, Belehrung, Verordnung, Ermahnung, Drohung und Verheißung.
Vielfach benutzt sind vom Verfasser des Korans die Überlieferungen der jüdischen und christlichen Religion, zuweilen auch die ältere arabische Sage. Die Auslegung des Korans bildet einen Hauptzweig der arabischen Litteratur.
Das Lesen des Korans gilt den Mohammedanern für ein heilschaffendes Werk, und es dienen die einzelnen Koranstücke zugleich als Gebete, im Gebrauch des Aberglaubens auch als Talismane.
Der Text des Korans erschien vollständig gedruckt, nachdem eine im Anfang des 16. Jahrh. von Paganini in Venedig hergestellte Ausgabe auf päpstlichen Befehl verbrannt war, zuerst besorgt von Hinckelmann (Hamb. 1694), dann mit lateinischer Übersetzung und andern Beigaben von Marracci (Padua 1698), später Petersburg 1787, Kasan 1803 und öfter.
Die im Abendland verbreitetste Ausgabe ist der Flügelsche Stereotypdruck (seit 1834 in mehreren Auflagen); im Orient gilt Vervielfältigung des Korans durch den Druck meist für unzulässig, doch ist er besonders in Indien neuerdings häufig lithographiert worden. Die älteste Übersetzung wurde im 12. Jahrh. vom Abt Peter von Clugny angefertigt (hrsg. v. Bibliander, Bas. 1543); von neuern sind zu nennen die französische von Kazimirski (neue Ausg., Par. 1884), die englischen von Sale (neue Ausg., mit Kommentar von Wherry, Lond. 1881-86, 4 Bde.), Rodell (das. 1861, 2. Ausg. 1878), Palmer (Oxf. 1880), die deutschen von Wahl (Halle 1828) u. Ullmann (8. Aufl., Bielef. 1881); dazu die Konkordanz Noojoom ool Foorqan (Kalk. 1811) und die neuern von Flügel (Stereotypausgaben, zuerst Leipz. 1842) und Kazem-Bek (Petersb. 1859); Auszüge mit englischer Übersetzung von Lane (Lond. 1844, 2. Ausg. 1879) und Muir (das. 1880). Eine den größten Teil des Textes umfassende deutsche Übersetzung hat sich in Fr. Rückerts Nachlaß gefunden und wird demnächst zum Druck gelangen. Wörterbücher gaben Willmet (Rotterd. 1784), Penrice (Lond. 1873) und Dieterici ("Arabisch-deutsches Handwörterbuch zum K. und Tier und Mensch", Leipz. 1881). Vgl. Weil, Historisch-kritische Einleitung in den K. (Bielef. 1844); Nöldeke, Geschichte des Qorans (Götting. 1860); Garcin de Tassy, L'islamisme d'après le Coran (Par. 1874); Lane Poole, Le K., sa poésie et ses lois (das. 1883); Nöldeke, The K., in der "Encyclopaedia Britannica", 9. Ausg., Bd. 16.